Integrationsarbeit zahlt sich aus – weiteres Projekt gerade am Anlaufen
Wenn man Turcan Aktürk fragt, arbeitet sie schon ein Leben lang im Bereich der Integrationsarbeit. Sie übersetzt und vermittelt mit viel Empathie, Aufmerksamkeit und Ruhe. Alles für eine bessere Eingliederung und einen guten Start. Zeit für einen Einblick in ihre Arbeit.
Wer Turcan Aktürk kennenlernt, bemerkt schnell, dass sie zu 100 Prozent bei einem ist. Ihre gesamte Aufmerksamkeit ruht auf ihrem Gegenüber, während ihre ausgeglichene Art Sicherheit vermittelt. Das macht sie sich auch bei ihrer Arbeit zu Nutze. Turcan arbeitet seit knapp acht Jahren bei der InSL. So genau weiß sie es selber nicht mehr, aber das sei auch nicht entscheidend. Denn das, was sie tut, scheint sich auszuzahlen. Im Mai 2019 wurde ihr ein Integrationspreis für ihre Arbeit verliehen.
Doch von vorne: Alles begann vor fast zehn Jahren, als Turcan die Integrationslotsenausbildung im Internationalen Zentrum in Friedberg abschloss. Nach erfolgreicher Absolvierung arbeitete sie als Integrationslotse im Hochtaunuskreis und später beim Deutschen Roten Kreuz. Ziel war es, Familien, die neu in Deutschland ankamen und kein Deutsch sprechen und verstehen konnten, eine Unterstützung zu bieten. Turcan diente als Mittler: „Ich half beispielsweise beim Anmelden bei der Stadt oder dem Finden eines Kinderarztes“. Dinge, die zwar einfach scheinen, aber für Nicht-Deutsche eine Herausforderung sein können. Dabei lag ihr Fokus vor allem auf dem Spracherwerb. „Mir ging es darum, nach passenden Angeboten für die ganze Familie zu suchen. Ich habe mich immer gefragt: ‚Wie können die Kinder und die Eltern gemeinsam die neue Sprache erwerben?‘“
Über das Netzwerk Integration Friedrichsdorf lernte sie schließlich InSL Geschäftsführerin Dr. Kristina Edel kennen und arbeitet seitdem für die InSL. Dort ist sie als Sprachtrainerin für den Kindergarten zuständig. Diese Zeit sei der optimale Start für die ganze Familie, erklärt sie. „Hier kann man auch ohne viele Worte zeitliche Abläufe und Routine Situationen trainieren und eine gewisse Sensibilisierung schaffen, um Missverständnisse zu vermeiden.“ Sie möchte vermeiden, dass es, oft wegen Kleinigkeiten, zur Eskalation kommt. Da ihr das ein Anliegen war, arbeitete Turcan auch an der Kita-Fibel der InSL mit, die eine bildliche Hilfestellung für die ersten Wörter und Sätze sein soll.
Da das Kind gut angekommen soll, ist die Eingewöhnungsphase im Kindergarten von großer Bedeutung. Das sei eine sehr kostbare Zeit und Chance, wie Turcan findet. „Die Familie muss erkennen, dass ihr Kind gut aufgehoben ist.“. Wenn das gegeben ist, bemühe sie sich sehr, dass die Sprache den Kindern nah gebracht würde, allerdings fordere sie auch, dass sich die Eltern genauso anstrengen.
Turcan macht sich für ihre Arbeit vieles nützlich: „Ich integriere mein Wissen über das Schul- und Kitawesen und meine generelle Erfahrung, um so die Möglichkeit zu bieten, über Dinge zu sprechen.“ Nicht zuletzt hilft ihr ihre eigene Herkunft als Muslima mit Migrationshintergrund: „Ich bemerke immer wieder, dass die Mitsprache leichter fällt und mich vor allem die Frauen eher als Anlaufstelle sehen.“ Für sie ein ganz klarer Vorteil, da es von Anfang an eine Gemeinsamkeit gibt. „Ich spreche Deutsch, Türkisch, Englisch und ein bisschen Französisch“, erzählt sie. Wenn das alles nichts hilft, kommuniziert Turcan „mit Händen und Füßen“, wie sie sagt. Auch dass die Sprachtrainerin selbst Mutter von drei Kindern ist, ist von Vorteil. „Ich weiß einfach, was verlangt wird und kann es daher leichter mitgeben.“
Ziel ihrer Arbeit ist es, das, was man hat, zu optimieren und hervorzuheben, was die Kinder schon alles gut können. „Ein Beispiel: Wenn ich merke, dass das Kind viel Spaß an Musik hat, erzähle ich das den Eltern und zeige ihnen gleichzeitig Möglichkeiten auf, diese Leidenschaft zu vertiefen; zum Beispiel in der Musikschule“, sagt sie. Das scheint Früchte zu tragen: Im Mai 2019 erhielt Turcan die Integrationspreis Ehrung des Hochtaunuskreises. „Das hat mich sowohl sehr gefreut als auch überrascht“, gibt sie zu. Dass die Kitaleitungen sie für den Preis empfohlen haben, berührte sie sehr. „Es zeigt einfach, dass meine Arbeit gut ankommt und das macht mich natürlich auch stolz.“
Doch damit noch lange nicht genug: Seit Mai 2019 arbeitet Turcan auch in der Beratung der InSL. „Wir haben eine offene Sprechstunde im InSL Büro eingerichtet, bei der konkrete Probleme besprochen werden können.“ Dorthin kommen vor allem die Eltern der Kinder, die von Ärzten oder Kitaleitungen weitergeleitet wurden. „Wir sehen einfach den Wunsch, sich eine Beratung einzuholen und dem möchten wir nachgehen.“ Denn der Bedarf sei auf jeden Fall da, die Frage wäre eher, wie dem gerecht nachzukommen sei. Eine Strategie hierfür hat Turcan allerdings bereits: Es sei wichtig, erst einmal zu beobachten und nicht zu werten. Denn Vorurteile seien normal und es sei relevant, zuerst einzugestehen, dass man diese habe. „Dann kann man schauen, wie man damit umgeht.“ Ihre offene Haltung und ihr empathisches Einfühlungsvermögen machen Turcan damit sowohl in Kindergärten, als auch bei der Beratung so erfolgreich.
Doch wieso macht sie das eigentlich? „Ich habe ein persönliches Interesse daran, dass die Leute, insbesondere die Frauen, hier gut ankommen“, erklärt die Sprachtrainerin. Auch wenn der Anfang schwer sei, sollten die Familien erkennen, dass es helfe, Deutsch zu können. Außerdem sieht sie in ihrer Arbeit die Chance der Weiterbildung. „Es bringt Probleme, wenn man nicht voran kommt“, betont sie.
Ihre Motivation bringt sie selber auf den Punkt: „Ich möchte ein Modell erkundschaften, was für Möglichkeiten es gibt und geben kann, um ein erweiterbares und selbstständiges Leben zu ermöglichen.“ Und weiter: „Denn viel zu oft wird nur daran gedacht, was mit den Menschen passiert, die hier herkommen und viel zu wenig, was mit denen passiert, die schon hier sind.“ Mit viel Herz möchte Turcan vermitteln, dass sich niemand mit seiner Situation abfinden muss, sondern dass man etwas ändern kann. Und das gelingt ihr mit Bravour.
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